Die Hasec-Elektronik GmbH ist mit ihren 200 Mitarbeitern ein klassischer Mittelständler. In den Reinräumen des Thüringer Unternehmens aus Wutha-Farnroda werden unter anderem Micro-SD-Karten gefertigt, die die Speicherkapazität von Handys erhöhen, und Blutzuckermesssysteme für Diabetespatienten. „Die Firma gehört auf dem Gebiet zu den Technologie-Führern“, sagt Firmenchef Thomas Kuhn. Um weiter zu investieren, wollte Hasec zuvor das Eigenkapital stärken. „Wir haben einen seriösen Geldgeber gesucht, keine Heuschrecke“, sagt Kuhn.
Mit der Beteiligungsmanagement Thüringen GmbH (bm|t) habe man diesen gefunden, die sich mit 25 Prozent an Hasec beteiligte. Wieviel Geld geflossen ist, verrät das Elektro-Unternehmen nicht. „Unsere angestrebte Expansion ist damit aber möglich“, sagt Kuhn. Die bm|t ist eine Tochter der Thüringer Aufbaubank. Wie viele landeseigene Beteiligungsgesellschaften in anderen Bundesländern auch, unterstützt sie junge Unternehmen mit Risikokapital. Das Besondere: Die bm|t steigt Schritt für Schritt auch in etablierte Thüringer Unternehmen ein. Mittlerweile ist sie mit Analytik Jena, Jenoptik und Carl Zeiss Meditec an den drei führenden Börsen-Unternehmen des Landes beteiligt. Ziel der bm|t ist es, nicht nur Rendite zu erzielen, sondern Unternehmenssitze und Standorte im Land zu sichern. Der Freistaat schafft sich so seine Thüringen AG.
Staat als Anker-Aktionär
bm|t‑Geschäftsführer Christian Damjakob hat ein kleines, funktional eingerichtetes Büro im Haus der Thüringer Aufbaubank in Erfurt. Von hier aus verwaltet Damjakob mit seinem Team etwa 45 Firmenbeteiligungen mit einem Gesamtvolumen von 250 Millionen Euro. Pro Jahr will die Gesellschaft bis zu 20 Millionen Euro investieren. Neben staatlichem Geld wirbt die bm|t nach Worten von Damjakob auch privates Geld etwa von Versicherungen, Banken und Pensionskassen ein. Der größte von vier aktiven Fonds sei die Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft (TIB). Der Fonds wurde bereits 1993 vom Land gegründet, um damals angeschlagene Firmen finanziell über Wasser zu halten. Über die TIB, in der weitgehend staatliche Gelder stecken, wird heute in florierende Technologie-Unternehmen investiert.
„Die Stärke der hiesigen Firmen – ihre Kleinteiligkeit – ist gleichzeitig ihre Schwäche“, sagte der Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) der „Thüringer Landeszeitung“ Anfang 2012. Kleinteilige Firmen seien ungemein flexibel, hätten allerdings eine eher dünne Eigenkapitalausstattung. Die bm|t solle hier einspringen. Machnig machte keinen Hehl daraus, dass ein Einstieg der bm|t in Firmen auch möglich ist, um Finanzinvestoren abzuwehren, die lediglich kurzfristige Renditeaussichten verfolgen.
Dieses Wirtschaftsprogramm wird umgesetzt und Konflikten nicht aus dem Weg gegangen. Im Frühjahr 2012 stieg die Beteiligungsfirma beim börsennotierten Labortechnik-Hersteller Analytik Jena mit 18 Prozent ein. Dazu wurde zum Ärger des Analytik-Jena-Großaktionärs, des niederländischen Unternehmens Verder, eine Kapitalerhöhung mit Sonderbezugsrecht vorgenommen. Bm|t stieg ein, die Niederländer, denen nachgesagt wurde, einer Übernahme von Analytik Jena nicht abgeneigt zu sein, blieben außen vor. „Dies lief rechtlich alles ganz sauber ab“, sagt Klaus Berka, Vorstandsvorsitzender von Analytik Jena. Zwar habe es zunächst Unmut bei Verder gegeben, doch der Konflikt sei inzwischen ausgeräumt. „Das frische Geld haben wir für weitere Investitionen eingesetzt“, sagt Berka. Für den Unternehmens-Chef ist es wichtig, dass er mit der bm|t einen weiteren „Anker-Aktionär gefunden hat“. Analytik Jena sei wie eine „Perle auf dem Meeresgrund“. Da gebe es immer wieder Begehrlichkeiten von Investoren.
Beim zweitgrößten börsennotierten Unternehmen des Landes, der Jenoptik AG, ist die bm|t mit elf Prozent beteiligt. Im Juli 2011 erwarb die Investitionsgesellschaft für gut 40 Millionen Euro die Anteile. Jenoptik ist vor 20 Jahren aus dem VEB Carl Zeiss Jena hervorgegangen und beschäftigt weltweit 3 000 Mitarbeiter „Die Beteiligung ist vor allem eine profitorientierte Investition“, sagt bm|t‑Chef Damjakob. Thüringens Finanzminister Wolfgang Voß wurde jedoch nach dem Anteilskauf in Medien mit dem Satz zitiert: Es habe die Gefahr bestanden, dass ein Teil „in den Besitz von Hedgefonds gerät, deren Interessen schwer zu durchschauen sind“.
FDP ist skeptisch
Neben diesen bekannten Namen ist die landeseigene Risikokapital-Gesellschaft mit ihren Fonds aber auch an Industrie-Firmen wie Samag in Saalfeld, Asola in Erfurt, Häcker Automation in Schwarzhausen und Innovative Mobility Automobile in Jena beteiligt.
Wirtschaftsforscher Ulrich Blum von der Universität Halle hält die Strategie der Landesregierung für vernünftig: „Ostdeutschland fehlen Großunternehmen, die vor Ort ihren Sitz haben und Forschung betreiben.“ Wachstumsstarke Firmen würden zudem schnell zu Übernahmekandidaten. „Im Osten sind vermögende Familien rar, die als Anker-Aktionär diesen Unternehmen Stabilität geben“, so der ehemalige Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle. Dies könne auch eine staatliche Gesellschaft übernehmen. Wichtig sei, dass in Firmen investiert werde, die ein funktionierendes Geschäftsmodell besitzen.
Kritisch äußert sich der wirtschaftspolitische Sprecher der Thüringer FDP-Landtagsfraktion, Thomas Kemmerich: „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.“ Es sei richtig, kleine, innovative Firmen zu fördern. Bei Investitionen in größere Unternehmen bestehe die Gefahr, dass eher politische als wirtliche Beweggründe im Vordergrund stehen. Diesen Verdacht will Damjakob mit seiner Arbeit entkräften: „Natürlich hat das Land Thüringen als Geldgeber strukturpolitische Ziele.“ Die bm|t entscheide aber eigenständig über die Investitionen. „Wir wollen mit den Beteiligungen Gewinne erzielen“, sagt er. „Nur wo dies möglich ist, werden wir uns engagieren.“
Verfasser: Steffen Höhne / Mitteldeutsche Zeitung vom 02.10.2012