19. Oktober 2023 20 Jahre bm|t / Interview mit Kevin Reeder: „Unser Fokus liegt auf den Stärken von Thüringen“

Herr Ree­der, Sie fei­ern in die­sem Jahr auch ein per­sön­li­ches Jubi­läum in der bm|t. Sie sind 2013 als Invest­ment-Mana­ger zur bm|t gekom­men und haben 2017 die Geschäfts­füh­rung über­nom­men. Wor­auf sind Sie beson­ders stolz?

Mein Start als Geschäfts­füh­rer der bm|t im Jahr 2017 hätte glück­li­cher kaum sein kön­nen. Wir haben den IPO der InflaRx an der Nasdaq beglei­tet. Ich denke, wir waren die erste Län­der­be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft in Deutsch­land mit einem Nasdaq-Bör­sen­gang. Neben einer tol­len Ren­dite für uns stei­gerte die­ses Ereig­nis unse­ren Bekannt­heits­grad erheb­lich. Das war ein unglaub­li­cher Erfolg! Hinzu kam, dass Face­book als aller­erste Inves­ti­tion in Deutsch­land die Thü­rin­ger fay­teq AG erwarb, an der wir als Lead-Inves­tor betei­ligt waren. Von da an waren wir auf dem Radar aller Ven­ture-Capi­tal-Gesell­schaf­ten in Deutschland.

Seit 2017 haben wir zehn wei­tere Exits abge­schlos­sen. Diese gin­gen über­wie­gend an Unter­neh­men, die die über­nom­me­nen Thü­rin­ger Fir­men als ihren Stand­ort im DACH-Raum auf­ge­baut haben. Dar­auf kön­nen wir auch sehr stolz sein. Da „Ven­ture Capi­tal“ ein lang­fris­ti­ges Geschäft ist, sind die Erfolge der letz­ten Zeit aus der 20-jäh­ri­gen His­to­rie der bm|t gebo­ren. Die harte Arbeit des Teams über zwei Jahr­zehnte hat sich ausgezahlt.

In den letz­ten 20 Jah­ren hat aber auch unser Geschäfts­mo­dell eine Trans­for­ma­tion durch­lau­fen. Zu Beginn arbei­te­ten wir mit zahl­rei­chen Fonds, mit denen wir allein inves­tie­ren konn­ten. Heute haben wir bei jedem Invest­ment starke Co-Inves­to­ren an unse­rer Seite. Wir haben uns erfolg­reich zu einem Kno­ten­punkt in einem brei­ten Netz­werk von Inves­to­ren und ande­ren Part­nern, die wir für Thü­rin­gen begeis­tern konn­ten, entwickelt.

Wie ist die bm|t entstanden?

In Thü­rin­gen gab es damals drei ver­schie­dene Invest­ment­fonds, die kom­ple­men­tär zuein­an­der waren. Der Vor­stands­vor­sit­zende der Thü­rin­ger Auf­bau­bank Mat­thias Wier­la­cher hatte die Idee diese Fonds in einer Gesell­schaft zusam­men­zu­brin­gen. Das war genau die rich­tige Ent­schei­dung, denn wir sind nun eine Ein­heit, die alle Pha­sen des Mark­tes – Früh‑, Wachs­tums- und Spät­phase –  bedient. In der Anfangs­zeit hat die bm|t mit zahl­rei­chen mitt­ler­weile nam­haf­ten Unter­neh­men, wie Jen­op­tik, Carl Zeiss Medi­tec, Ana­ly­tik­Jena oder X‑FAB zusam­men­ge­ar­bei­tet. Für die bm|t war es eine große Chance in grö­ßere eta­blierte Unter­neh­men zu inves­tie­ren. Das ist auch ein wich­ti­ger Unter­schied zu ande­ren VC-Gesell­schaf­ten. Die bm|t ist nicht aus­schließ­lich auf die Früh­phase fokus­siert. Weil wir den Weg mit die­sen und vie­len ande­ren Fir­men über 20 Jahre gegan­gen sind, haben wir gelernt, wie aus einem klei­nen Start-up ein gro­ßes Unter­neh­men wird. Das ist ein wert­vol­ler Wis­sens­schatz, den wir hier im Team haben.

Wie beein­flusst die aktu­elle Markt­si­tua­tion die Venture-Capital-Industrie?

Mit den nied­ri­gen Zin­sen waren die letz­ten zehn Jahre eine Zeit in der viele Inves­to­ren Wag­nis­ka­pi­tal für sich ent­deckt haben. Wir sind gut durch die Corona-Pan­de­mie gekom­men – auch weil wir viel Schwung aus den vor­he­ri­gen Jah­ren mit­ge­nom­men haben und über Finan­zie­rungs­in­stru­mente und ein Netz­werk ver­fü­gen, mit dem wir die Unter­neh­men unter­stüt­zen konn­ten. Aktu­ell stel­len uns die geo­po­li­ti­schen Zer­würf­nisse, die Ener­gie­krise und die Infla­tion mit stei­gen­den Zin­sen vor Her­aus­for­de­run­gen. Sol­che Rah­men­be­din­gun­gen füh­ren zu Unsi­cher­hei­ten bei den Inves­to­ren, aber wir haben auch in 2023 gute Finan­zie­rungs­run­den und Exits geschafft.

Eine unse­rer größ­ten Stär­ken ist es, dass wir ein sehr inno­va­ti­ves Port­fo­lio auf­ge­baut haben – mit star­ken Unter­neh­men und bahn­bre­chen­den Tech­no­lo­gien. Egal ob ein oder fünf Pro­zent Zin­sen – ich bin mir sicher, dass der Zins­satz nicht der ent­schei­dende Fak­tor ist, ob sol­che High-Tech Unter­neh­men für Inves­to­ren attrak­tiv sind. Thü­rin­gen pro­fi­tiert von einem säku­la­ren Trend, denn unsere tech­no­lo­gisch-star­ken Unter­neh­men wer­den zuneh­mend von der Welt ent­deckt. Natür­lich müs­sen wir wei­ter aktiv blei­ben und Auf­merk­sam­keit für unsere Start-ups gene­rie­ren. In die­sem Sinn ist die bm|t nicht nur Inves­tor, son­dern auch Botschafter.

Was macht Thü­rin­gen für Inves­to­ren attraktiv?

Das Geschäfts­mo­dell von Thü­rin­ger Start-ups liegt über­wie­gend im tech­no­lo­gie­ge­trie­be­nen Busi­ness-to-Busi­ness-Bereich. In sol­chen Model­len ist der Kapi­tal­be­darf nied­ri­ger als in Busi­ness-to-Cus­to­mer-Model­len, die bei­spiels­weise über­durch­schnitt­lich viel Geld für Mar­ke­ting auf­wen­den müs­sen. Durch den nied­ri­ge­ren Kapi­tal­be­darf haben Inves­to­ren auch ein sehr gutes Risiko-Ren­dite-Ver­hält­nis. Inves­to­ren, die sich nied­ri­ger auf der Risiko-Ren­dite-Kurve posi­tio­nie­ren wol­len, fin­den in Thü­rin­gen sehr span­nende Invest­ments, müs­sen aber auch Geduld für län­ger lau­fende tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen haben.

Außer­dem sind in Thü­rin­gen exzel­lente Inno­va­tio­nen vor­han­den. Unser Fokus liegt auf den Stär­ken von Thü­rin­gen. Das sind Optics, Pho­to­nics, Robo­tics, Mate­rial Sci­ence und Life-Sci­ence – alles Berei­che, in denen sehr attrak­tive Bewer­tun­gen mög­lich sind.

Wer­fen wir einen Blick auf die andere Seite: Wel­che Beson­der­hei­ten bringt Thü­rin­gen als Stand­ort für Grün­der mit?

Start-ups pro­fi­tie­ren von einem High­tech-Öko­sys­tem mit zahl­rei­chen For­schungs­in­sti­tu­tio­nen, Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len. In Thü­rin­gen ist außer­dem ein star­kes Grün­dungs­netz­werk aus Inves­to­ren und Unter­stüt­zern vor­han­den, bestehend aus der bm|t, der STIFT mit ihrem Acce­le­ra­tor- und Coa­ching-Pro­gramm, zahl­rei­chen Bera­tungs­an­ge­bo­ten des ThEx, der Thü­rin­ger Auf­bau­bank, der MBG Thü­rin­gen, Spar­kas­sen und Minis­te­rien. Wir arbei­ten alle sehr eng zusam­men. Egal an wel­cher Stelle ein Grün­der ankommt, gibt es von allen Sei­ten die benö­tigte Unterstützung.

Die rooom AG schloss kürz­lich eine Finan­zie­rungs­runde über 17 Mio. Euro ab. Mit der Onc­gno­stics GmbH erobern in Thü­rin­gen ent­wi­ckelte Tech­no­lo­gien den chi­ne­si­schen Markt. Wie läuft das bm|t‑Jahr 2023?

Zu Beginn des Jah­res sind die Finan­zie­rungs­run­den noch sehr zäh gelau­fen. Aber im April ist der Kno­ten geplatzt. Seit­dem konn­ten wir eine lange Serie an sie­ben­stel­li­gen Finan­zie­rungs­run­den ver­zeich­nen. Wenn mir jemand vor drei Jah­ren gesagt hätte, dass wir eine Pan­de­mie, einen Krieg, Infla­tion und Lie­fer­ket­ten-Pro­ble­men durch­le­ben, hätte ich mich gefragt, wo wir wohl ste­hen wer­den. Aber die bm|t und unsere Inves­tee-Part­ners sind gut auf­ge­stellt, was auch ein Zei­chen von Resi­li­enz ist.

Wel­che Pläne und Ziele gibt es für die Zukunft?

Wir haben eine tolle Markt­stel­lung und Invest­ments mit viel Poten­tial. Mit dem Thü­rin­ger Zukunfts­fonds II und dem Wachs­tums­Be­tei­li­gungs­Fonds II haben wir in die­sem Jahr zwei Fonds mit 55 Mio. Euro neu auf­ge­legt. Auch zwei wei­tere neue Fonds für die spä­te­ren Pha­sen sind in der Pipeline.

Worin ich in Thü­rin­gen noch Wachs­tums­chan­cen für uns sehe, sind die eta­blier­ten Unter­neh­men, die bei­spiels­weise eine Nach­folge suchen. Hier kön­nen wir mit der Stär­kung des Eigen­ka­pi­tals unter­stüt­zen. Auch die Erfah­rung unse­res Teams ist für die­ses Markt­seg­ment dien­lich. Wir haben eine lang­jäh­rige Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit im Invest­ment-Team, was ein unge­mei­nes Ver­ständ­nis für die Unter­neh­men in Thü­rin­gen mit sich bringt. Das kommt auch unse­ren aktu­el­len Inves­tee-Part­nern zugute.

Ich schaue sehr posi­tiv in die Zukunft, denn ich hatte vor zehn Jah­ren das große Glück zu einem tol­len Team zu kom­men. Meine Rolle war es, ein paar neue Akzente zu einem sehr star­ken Fun­da­ment beizutragen.

Vie­len Dank für das Gespräch!

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