16. Juni 2025 Interview mit bm|t‑Investee-Partner SmartDyeLivery zum Start der ersten klinischen Studie

Das Jenaer Start-up Smart Dye­Li­very GmbH ent­wi­ckelt neue The­ra­pie­mög­lich­kei­ten für bis­her nur schwer behan­del­bare Erkran­kun­gen. Es nutzt dazu eine Platt­form­tech­no­lo­gie, die  mit Hilfe von Nano­par­ti­keln bestimmte Wirk­stoffe gezielt an die Stelle des Kör­pers trans­por­tiert, wo sie benö­tigt wer­den. „Wir sind die Spe­di­teure im Kör­per“, sagte Geschäfts­füh­rer Dr. Marc Leh­mann im Inter­view aus dem Jahr 2022. Inzwi­schen ist das Unter­neh­men in die erste kli­ni­sche Stu­die gestar­tet. Was das genau bedeu­tet, erklä­ren Dr. Marc Leh­mann und bm|t‑Investmentmanager Ste­fan Jahn im Interview.

Mit Ihrer Tech­no­lo­gie kön­nen Erkran­kun­gen the­ra­piert wer­den, für die es bis­lang kaum Behand­lungs­op­tio­nen gab. Über wel­ches Krank­heits­bild spre­chen wir?

Dr. Marc Leh­mann: Es geht in der ers­ten Anwen­dung um die sep­ti­sche Cho­le­stase. Das ist eine schwere Leber­schä­di­gung, die im Ver­lauf einer Sep­sis, also im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch einer Blut­ver­gif­tung, ent­ste­hen kann. Das Krank­heits­bild ist mit einer Sterb­lich­keit von über 90 Pro­zent belegt. Wir wol­len ein­grei­fen, um diese Dys­funk­tion des Organs mit­hilfe unse­res Medi­ka­ments wie­der auf­zu­he­ben und die­sen Pati­en­ten das Leben retten.

Dazu ist auch eine kli­ni­sche Prü­fung not­wen­dig. Wie läuft eine sol­che Phase-I-Stu­die, also die Erst­an­wen­dung am Men­schen, ab?

Dr. Marc Leh­mann: In einer Phase-I-Stu­die wird nach umfang­rei­chen prä­kli­ni­schen Vor­un­ter­su­chun­gen das Medi­ka­ment an gesun­den Pro­ban­den über­prüft, um nega­tive Effekte aus­zu­schlie­ßen. In die­ser Stu­die ste­hen die Sicher­heit und Ver­träg­lich­keit im Vor­der­grund und sie ist auf etwa ein Drei­vier­tel­jahr ange­legt. Im April wur­den die ers­ten Pro­ban­den dosiert. Vor, wäh­rend und nach dem Erhalt des Medi­ka­men­tes wer­den die Pro­ban­den äußerst umfang­reich unter­sucht, um am Ende ein voll­stän­di­ges Bild über die Anwen­dung zu erhal­ten. Die Stu­die ist so auf­ge­baut, dass sie aus meh­re­ren Tei­len besteht: In einem Teil erhal­ten die Pro­ban­den eine Ein­zel­do­sis von dem Medi­ka­ment. Davon bekommt die erste Gruppe eine nied­rige Dosis, die zweite Gruppe eine höhere Dosis und die fol­gen­den Grup­pen jeweils wie­der eine noch höhere Dosis, aber eben immer nur eine ein­zelne Dosis. Im zwei­ten Teil ver­ab­reicht man den Pro­ban­den eine Dosis pro Tag über meh­rere Tage. So ist es spä­ter auch in der Pra­xis ange­dacht. Eine zweite Gruppe erhält auch in die­sem Teil eine höhere Dosis wie­der über meh­rere Tage.

Zu Beginn star­tet man mit einer ers­ten Kohorte in der nied­rigs­ten Dosie­rung. In allen Dosis­stu­fen erhal­ten zwei Pro­ban­den dabei einen Pla­cebo, sechs Pro­ban­den erhal­ten das Medi­ka­ment. Im Anschluss an jede Dosis­stufe bewer­tet ein soge­nann­tes „Safety Board“ anhand der Daten die­ser Kohorte, ob man mit der nächst höhe­ren Dosis wei­ter­macht. Da alles posi­tiv gelau­fen ist, haben wir bereits mit den nächs­ten Dosie­run­gen begin­nen kön­nen. So geht das wei­ter bis zum – hof­fent­lich – posi­ti­vem Abschluss der Studie.

Vor wel­chen Her­aus­for­de­run­gen haben Sie zu Beginn der Stu­die gestanden?

Dr. Marc Leh­mann: Um eine Phase-I-Stu­die durch­zu­füh­ren benö­tig­ten wir eine Geneh­mi­gung durch das Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­dukte (BfArM). Neben umfas­sen­den prä­kli­ni­schen Vor­ar­bei­ten  muss­ten wir auch nach­wei­sen, dass wir das Pro­dukt unter den vor­ge­ge­be­nen regu­la­to­ri­schen Vor­aus­set­zun­gen – der soge­nann­ten Good Manu­fac­tu­ring Prac­tice (GMP) – her­stel­len kön­nen. Die regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen zur Geneh­mi­gung und Durch­füh­rung einer kli­ni­schen Stu­die sind sehr hoch. Das ist im phar­ma­zeu­ti­schen Bereich kein Geheim­nis und ich finde das auch gut, schließ­lich möchte jeder ein umfas­send geprüf­tes Medi­ka­ment haben. Für uns war es eher eine Her­aus­for­de­rung so eine Stu­die mit einem Team aus knapp 12 Ange­stell­ten vor­zu­be­rei­ten, wofür ein gro­ßes Pharma-Unter­neh­men wahr­schein­lich über mehr als 200 Leute ver­fügt. Wir haben weit über 300 Sei­ten – zum Bei­spiel das Stu­di­en­pro­to­koll, eine soge­nannte Investigator´s Bro­chure und wei­tere Doku­mente – beim BfArM ein­ge­reicht. Da haben wir inhalt­lich aller­hand geleis­tet, schließ­lich muss­ten wir die Doku­mente nicht nur schrei­ben, son­dern zuvor auch die dafür not­wen­di­gen Daten erheben.

Die ent­wick­lungs­tech­ni­schen und regu­la­to­ri­schen Hür­den haben wir alle erfolg­reich genom­men und wir haben die Zulas­sung vom BfArM zur Durch­füh­rung der Stu­die erhal­ten; ein für das Unter­neh­men extrem wich­ti­ger Mei­len­stein. Am Abend des­sel­ben Tages ereilte uns dann aber der Schock: Es gab einen Brand beim GMP-Dienst­leis­ter, der für uns die Prüf­mus­ter unse­res Medi­ka­men­tes für die Kli­ni­sche Phase I her­stel­len sollte.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Dr. Marc Leh­mann: Das war ein bit­te­rer Tag für das Team, denn wir haben alle sehr hart auf die­sen einen Moment hin­ge­ar­bei­tet. An die­sem Tag sind natür­lich auch Trä­nen geflos­sen. Aber letzt­end­lich haben wir das im gesam­ten Team super auf­ge­fan­gen und wie­der hin­ge­kriegt. Alle haben den Schock schnell über­wun­den und direkt wie­der ange­packt. Dar­auf bin ich ziem­lich stolz.

Ste­fan Jahn: Eine gute und ver­trau­ens­volle Zusam­men­ar­beit wird vor allem in sol­chen schwie­ri­gen Pha­sen deut­lich und wich­tig. Das hat das Team rund um Dr. Marc Leh­mann unter Beweis gestellt. Es geht gegen­über den Gesellschaftern/Investoren in einem sol­chen Fall nicht darum, nur zu schil­dern, was pas­siert ist, son­dern dass man einen Plan A, B und C in der Tasche hat. So konnte Herr Dr. Leh­mann auch alle Gesellschafter/Investoren hin­ter sich ver­sam­meln, um geschlos­sen zu agie­ren und die aus dem Brand beim GMP-Dienst­leis­ter resul­tie­rende zeit­li­che Ver­zö­ge­rung letzt­end­lich auch finan­zi­ell zu überbrücken.

Dr. Marc Leh­mann: Wir haben den Her­stel­ler gewech­selt, was gleich­zei­tig aber auch bedeu­tet, dass wir den regu­la­to­ri­schen Pro­zess beim BfArM noch­mal durch­lau­fen muss­ten. Wir sind zwar nicht bei 0 gestar­tet, aber muss­ten eben viele Doku­mente noch­mal neu ein­rei­chen. Am Ende hat alles gut geklappt und wir haben die Her­stel­lung des Medi­ka­ments für die Kli­ni­sche Phase I Anfang die­ses Jah­res abgeschlossen.

Wie geht es nach der Stu­die weiter?

Dr. Marc Leh­mann: Hier­für haben wir ver­schie­dene Über­le­gun­gen. Für den Fall eines posi­ti­ven Ergeb­nis­ses – was wir erwar­ten – wol­len wir uns ggfs. einen Part­ner suchen, der den Wirk­stoff in einer zwei­ten kli­ni­schen Phase tes­tet und auch den wei­te­ren Zulas­sungs­pro­zess in die Wege lei­tet. Eine zweite Über­le­gung ist aber auch, dass wir die Phase-II-Stu­die in Eigen­re­gie über­neh­men. Hier sind wir aber auch auf Part­ner ange­wie­sen – zum Bei­spiel eine soge­nannte Cli­ni­cal Rese­arch Orga­ni­sa­tion und geeig­nete Kli­ni­ken mit den ent­spre­chen­den Pati­en­ten. In der Phase-II-Stu­die wird das Medi­ka­ment erkrank­ten Pati­en­ten ver­ab­reicht, um die Wirk­sam­keit zu überprüfen.

Die bm|t ist seit der ers­ten Stunde an Bord. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Dr. Marc Leh­mann: Wir haben die ers­ten Gesprä­che im Jahr 2015 geführt, seit­dem arbei­ten wir zusam­men. Aus Inves­tee-Sicht war für mich immer der Zwei­klang wich­tig: Die bm|t benö­tigt immer einen Co-Inves­tor für ein Invest­ment und die pri­va­ten Inves­to­ren haben immer gerne eine bm|t an Bord, die viel Exper­tise mitbringt.

Ste­fan Jahn: Das ist sicher­lich ein wich­ti­ger Punkt, ins­be­son­dere für ein­zelne pri­vate Inves­to­ren wie Busi­ness Angel oder Sin­gle Family Offices. Wir brin­gen aber nicht nur finan­zi­elle Mit­tel und Exper­tise mit, son­dern auch ein gro­ßes Netz­werk. Im Fall von Smart­Dye­Li­very haben bei­spiels­weise auch andere Inves­tee-Part­ner von uns im Rah­men der Prä­kli­nik, aber auch bei der Her­stel­lung des Medi­ka­men­tes für die Kli­ni­sche Phase I unterstützt.

Wie konnte die Thü­rin­ger För­der­land­schaft in den letz­ten Jah­ren unterstützen?

Dr. Marc Leh­mann: Wir haben ver­schie­dene För­der­pro­gramme über die Thü­rin­ger Auf­bau­bank in Anspruch genom­men. Das waren Pro­jekt­för­de­run­gen, zum Bei­spiel ein­zel­be­trieb­li­che Tech­no­lo­gie­för­de­run­gen, aber auch Inno­va­ti­ons­gut­scheine, um uns die Paten­ter­stel­lung för­dern zu las­sen. Wir haben über die FTI-Thü­rin­gen PER­SO­NEN-Richt­li­nie außer­dem eine Kol­le­gin ein­ge­stellt, die anfangs den Mar­ke­ting-Bereich über­nom­men hat. Wir konn­ten sie damals nur auf­grund der För­de­rung ein­stel­len. Und sie ist immer noch da. Inzwi­schen ist sie für alle regu­la­to­ri­schen The­men ver­ant­wort­lich, die mit der Phase-I-Stu­die in Zusam­men­hang ste­hen und somit ein ganz wich­ti­ger Teil des Teams. Auch Pro­jekt­för­de­run­gen, die über län­gere Zeit lau­fen, sind für uns ein wich­ti­ger Part. Das stärkt unsere Platt­form-Tech­no­lo­gie und ver­län­gert die Risi­ko­ka­pi­tal-Mit­tel, die uns zur Ver­fü­gung ste­hen – was wie­derum pri­vate Inves­to­ren anzieht.

Wie funk­tio­niert die Akquise von Inves­to­rin­nen und Inves­to­ren für eine neue Finanzierungsrunde?

Ste­fan Jahn: Dr. Leh­mann hat zwei Optio­nen genannt, wie es nach der Phase-I-Stu­die wei­ter­ge­hen könnte. Wenn man die Phase-II-Stu­die eigen­stän­dig macht, braucht es eine neue Finan­zie­rungs­runde. Wich­tig ist früh­zei­tig mit der Akquise und Markt­son­die­rung zu begin­nen. Da wer­den wir unser Netz­werk zur Ver­fü­gung stel­len, aber auch der Gesell­schaf­ter­kreis öff­net das eigene Netzwerk.

Wie läuft so eine Finan­zie­rungs­runde ab?

Dr. Marc Leh­mann: Wir defi­nie­ren zunächst ein kla­res Ziel, was wir mit unse­rer Ent­wick­lung errei­chen wol­len. Den Weg bis zum Ziel unter­tei­len wir dann in sinn­volle Etap­pen mit kla­ren Mei­len­stei­nen. Dafür erstel­len wir auch eine sehr detail­lierte Finanz­pla­nung, um auf­zu­lis­ten, was wir über die nächs­ten zwei Jahre oder bis zur Errei­chung eines bestimm­ten Mei­len­steins, z.B. an Per­so­nal oder Gerä­ten, benö­ti­gen. Die­ser Plan wird dann im Gesell­schaf­ter­kreis vor­ge­stellt und mit die­sen abgestimmt.

Ste­fan Jahn: Wir berei­ten dann ein soge­nann­tes Pitch Deck vor, was den Finanz­be­darf aber auch das Gesamt­ziel und die nächs­ten Mei­len­steine beinhal­tet. Das ist die Basis für die Anspra­che neuer Investoren.

Dr. Marc Leh­mann: So ein Pro­zess hängt natür­lich auch immer mit den Men­schen zusam­men, mit denen man zu tun hat. Wir arbei­ten seit 2020 mit einem fes­ten Inves­to­ren­kreis. Wir muss­ten die Idee und unser Ziel also nicht immer wie­der neu erklä­ren, son­dern eher unsere nächs­ten Etap­pen und Mei­len­steine prä­sen­tie­ren. Im Falle der Auf­nahme neuer Inves­to­ren ist der Pro­zess dann natür­lich ent­spre­chend auf­wän­dig und auch lang­wie­ri­ger, man muss zunächst mit poten­ti­el­len Inves­to­ren in Kon­takt kom­men, sich per­sön­lich ken­nen­ler­nen, das Vor­ha­ben detail­liert und gut nach­voll­zieh­bar dar­stel­len und auch bei­der­sei­tig ein Ver­trau­ens­ver­hält­nis auf­bauen. Das ist uns bis­her sehr gut gelun­gen , denn im Kreis unse­rer Inves­to­ren herrscht ein super Ver­ständ­nis und wir pfle­gen einen sehr fai­ren Umgang.

Sie sind seit 2015 im Unter­neh­men. Wenn Sie auf die letz­ten 10 Jahre zurück­bli­cken, wür­den Sie alles genauso wie­der machen?

Dr. Marc Leh­mann:  Abso­lut – aus ver­schie­de­nen Grün­den. Wir haben ein star­kes Team in der Firma, Grün­der die uns jeder­zeit unter­stüt­zen und einen wirk­lich tol­len Inves­to­ren­kreis. Ich könnte mir die­ses Gesamt­team kaum bes­ser vor­stel­len. Das würde ich immer wie­der so machen.

Wir blei­ben dran! Vie­len Dank für das Gespräch!

(Inter­view geführt von Tina Zim­mer­mann von der Thü­rin­ger Auf­bau­bank)

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